Skip to content
(c) Pixabay/Alexas_Fotos

BROT. Geschichte eines unscheinbaren Alleskönners

Brot ist in unserer Esskultur eine Selbstverständlichkeit. So sehr, dass wir meist gar nicht darüber nachdenken. Aber was macht eigentlich ein gutes Brot aus? Tut es uns gut, täglich Brot zu essen? Und woher kommt das Nahrungsmittel überhaupt? Wir haben mit Expert:innen gesprochen, recherchiert und die wichtigsten Brotkrumen zusammengetragen.

„Brot kannst du nicht erklären“, meint Artur Walter und lässt den Blick über die vielen Brote im Verkaufsraum seiner Bäckerei schweifen. „Das ist wie mit Bananen: Jeder weiß, wie eine Banane schmeckt, aber keiner kann es erklären. Niemand kann dir sagen, wie man einen Schritt macht. Man weiß es einfach.“ Artur Walter ist Bäckermeister – wenn einer wissen sollte, was Brot ist, dann er. Dass er sich außerstande sieht, das beliebte Grundnahrungsmittel im Wesentlichen zu erklären, zeigt vor allem eines: wie selbstverständlich Brot in der menschlichen Esskultur verankert ist.

Trotzdem gibt es natürlich ein paar grundlegende Dinge, die zum Thema Brot geklärt werden können. Zuallererst ist Brot ein Gemisch aus mehreren Zutaten: Mehl, Wasser und ein Triebmittel wie Sauerteig oder Germ sind das mindeste, das für die Zubereitung benötigt wird. Meist werden allerdings noch weitere Ingredienzien hinzugefügt. Beispielsweise werde in österreichischen Bäckereien oft Brotgewürze wie Koriander, Kümmel, Klee oder Fenchel eingesetzt; die Wahl der Gewürze variiert aber von Region zu Region. Dazu kommen neben Salz auf Wunsch noch verschiedene Ölsaaten wie Kürbis- und Sonnenblumenkerne, Leinsamen, Sesam oder Walnüsse. Sie sind es, die „das Brot rund machen“, wie Bäcker Artur Walter erklärt.

Sind die Zutaten bereit, geht es an die Herstellung des Teiges. Für einen Sauerteig werden zuerst Mehl und Wasser zusammengemischt und mehrere Tage zugedeckt stehen gelassen. Im Teig läuft dann die sogenannte Milchsäure-Gärung ab, bei der Milchsäurebakterien Bestandteile des Mehls zu Milchsäure, Essigsäure und Kohlendioxid verarbeiten – dadurch wird der Teig aufgelockert und lässt sich besser backen. Alternativ dazu kann auch ein Vorteig verwendet werden: Dieser Teig muss zunächst zwölf Stunden lang stehen, bevor er weitergerührt wird. Da sich die Milchsäurebakterien im Teig von Mehl ernähren, müssen sie durch Zugabe regelmäßig ‚gefüttert‘ werden – bei kleinen Teigen geschieht das von Hand, bei größeren maschinell. Am zweiten oder dritten Tag wird das Gewürz hinzugegeben, dann wird das Brot geformt und schließlich im Ofen gebacken.

So weit, so gut – aber welche Voraussetzungen müssen eigentlich erfüllt sein, damit es ein wirklich gutes Brot wird? Artur Walter zufolge genügen zwei Dinge: Die besten Rohstoffe – und genügend Zeit. „Also eigentlich ganz wenig“, meint er, und lacht.

Schnelle Zeiten – schnelles Brot?

Dass gerade Zeit in heutigen Produktionsprozessen alles andere als selbstverständlich ist, weiß der Bäckermeister natürlich genau. Zeit ist nicht nur wichtig, sie ist bekanntlich auch Geld. Dass ein guter Teig, wie der Bäcker erklärt, im Idealfall mehrere Tage lang stehen muss, bevor er gebacken werden kann, ist ein Grundsatz, der in Großbäckereien zur Utopie wird. Hier muss es schnell gehen. Letztendlich zählt die Menge – Brotbacken als Fließbandproduktion. Um die fehlende Zeit auszugleichen, die Gärungsprozesse zu beschleunigen und den Geschmack zu verbessern, werden dem Teig künstlich Enzyme und Säuren beigefügt. Jedes Brot muss exakt gleich sein; das bedeutet auch, dass Mehl und Germ ständig genau dieselbe Qualität haben, Teigflüssigkeit, Raum- und Teigtemperatur immer ident sein müssen.

In einer naturnahen Brotherstellung ist das unrealistisch: Das Mehl variiert je nach Voraussetzungen der Ernte, Luftfeuchtigkeit und -temperatur nehmen unweigerlich Einfluss auf den Backprozess. Früher war das kein Problem – die Brote sahen eben einfach ein bisschen anders aus und variierten im Geschmack. Bei einer industriellen Produktion, in der Normgrößen garantiert, Verpackungsmaße eingehalten und die Erwartungen der Kund:innen an ein identes Geschmackserlebnis erfüllt werden müssen, ist das anders. Ohne chemische Hilfsmittel geht es nicht.

Finger weg von diesen Sachen, die im Labor zusammengebraut werden. Wenn sich auf einem Produkt kein Schimmel mehr ansetzen und keine Maus mehr daran knabbern will, dann will ich das auch nicht mehr essen.

Bäckermeister Artur Walter

„Finger weg von diesen Sachen, die im Labor zusammengebraut werden“, mein Artur Walter dazu. „Wenn sich auf einem Produkt kein Schimmel mehr ansetzen und keine Maus mehr daran knabbern will, dann will ich das auch nicht mehr essen.“

Auch in seiner Bäckerei, eine der wenigen verbleibenden Kleinbäckereien Klagenfurts, hat die Technik Einzug gehalten. Seite an Seite stehen im Produktionsraum des Betriebs verschiedene Teigknetmaschinen, Gärschränke und elektronische Backöfen. Alles hier ist bis ins Detail computergesteuert. So können für jeden Teig die idealen Gär- und Knetzeiten garantiert werden. Doch was die Zutaten angeht, geht der Klagenfurter keine Kompromisse ein – alles soll möglichst regional und naturnahe produziert sein.

Bei seinen Kund:innen kommt das gut an. Trotzdem ist Walters Produktionsweise heute eine Nische. Ist es richtig zu sagen, dass – wenigstens beim Brot – früher alles besser war?

„Das Universum beginnt mit dem Brot“

Die Erfolgsstory von Brot ist keine Erfindung unserer Zeit. Schon vor 44.000 Jahren aßen Neandertaler im heutigen Irak Wildgerste und ähnliche Gräsersamen, vor 14.000 Jahren wurde in Jordanien bereits Brot gebacken und vor 6.000 Jahren entdeckten die alten Ägypter durch Zufall, dass vergorener Teig beim Backen aufgeht – die Geburtsstunde des Sauerteigs. Auch im antiken Griechenland war Brot verbreitet und beliebt. So war schon der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras der Meinung, das Universum beginne mit dem Brot.

Entscheidend für die Entwicklung des Brotes war die Entdeckung, dass der aus Getreide zubereitete Brei viel länger haltbar wird, wenn man ihn bäckt. Auf der ganzen Welt entstanden so im Laufe der Zeit Brote in verschiedensten Formen. Ob in einem Land etwa die Laib-, Fladen- oder Brötchenform bevorzugt wird, hängt nicht zuletzt von den Gegebenheiten vor Ort ab. Böden beeinflussen die Anbaumöglichkeit verschiedener Weizenarten, die Haltbarkeit von Lebensmitteln hängt maßgeblich vom Klima ab. So kommt es, dass in heißeren Ländern häufig dünnes Fladenbrot gegessen wird, das sich auch bei höheren Temperaturen lange hält.

Durchaus hartnäckig hält sich auch der Mythos, dass das Brot „früher viel besser war“. Doch das stimmt nicht, meint Artur Walter: „Heute ist das Niveau durch technische Hilfsmittel so hoch wie nie.“ Allerdings sei auch die Qualitätsschere größer denn je: Das Billigbrot aus Supermärkten und Discountern sei aufgrund minderwertiger Zutaten und Preisdumping heute qualitativ schlechter als das frühere durchschnittliche Bäckerbrot von der Bäckerei nebenan. Gleichzeitig gibt es aufgrund der technischen Geräte Möglichkeiten zur Präzision, die früher undenkbar waren – etwa bei der punktgenauen Einstellung der Teigknetmaschinen oder der Gärschränke. So wird heute bei Qualitätsbäckereien kaum mehr etwas dem Zufall überlassen.

Ob ein gutes oder schlechtes Brot auf den Tisch kommt, ist heute also vor allem der Kaufentscheidung der Kund:innen überlassen. Preislich ist der Unterschied zwar zu spüren, doch weniger stark als häufig angenommen. Um 5 € sollte ein qualitativ hochwertiges Brot zu haben sein – weit darüber hinausschießende Preise fließen meist direkt in das Marketing diverser, aktuell immer stärker verbreiteter Trendbäckereien. Wer sich mit einem 2 €-Brot zufriedengebe, dürfe nicht überrascht sein, wenn die Qualität nicht zufriedenstelle, meint Artur Walter und ergänzt: „Du kriegst, was du bezahlst!“

Unser tägliches Brot gib uns heute?

Brot enthält eine Reihe lebenswichtiger Nähr- und Ballaststoffe. Dazu zählen neben Kohlehydraten in Form von Stärke und Ballaststoffen auch viele Mineralstoffe, etwa Eisen, Zink und Magnesium. Außerdem liefert Brot pflanzliches Eiweiß, Vitamin B1 und B6.

Dennoch stellt sich immer mehr Menschen die Frage nach der Bekömmlichkeit von Brot. So sind viele der Meinung, dass Kohlenhydrate ungesund seien und dick machen würden – sie vermeiden sie, und damit auch das Grundnahrungsmittel Brot. Besonders Weißbrot wird dabei verteufelt; zu Unrecht, wie Artur Walter meint. Weißbrot sei an sich nicht unbedingt ungesünder als Vollkornbrot, solange insgesamt auf Ausgewogenheit geachtet werde. Vollkornbrot beinhaltet einige Nährstoffe und die Energie seiner langkettigen Kohlenhydrate hält länger an. Doch auch ein hochqualitatives Weißbrot ist im Prinzip ein gesundes Lebensmittel.

Brot in der Bäckerei (Foto: pixabay/wal_172619)

Die ideale Mischung variiert von Mensch zu Mensch; was ihr oder ihm am besten bekommt, sollte am besten jede:r selbst herausfinden, mein Walter. Das gilt für Brot genauso wie für die restliche Ernährung.

Brot ist ein Grundnahrungsmittel – die Menschheit ohne Brot zu ernähren wäre heute kaum möglich. Ernährungstrends kommen und gehen, doch die Geschichte hat gezeigt, dass der Alleskönner Brot seine zentrale Stellung schon ziemlich lange verteidigen kann. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe macht deutlich: An sich spricht nichts gegen das berühmte „tägliche Brot“. Der gelegentliche Gang zur Bäckerei anstelle vom schnellen Griff ins Supermarktregal wäre allerdings durchaus einen Versuch wert.

.

Weitere Genuss- und Kulinarikartikel finden Sie hier.

An den Anfang scrollen