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Musetto e Brovada

Musèt & Brovada. Würziges Wissen rund um die Wurst

Walter Celotti Genussexperte aus Friaul

Empfohlen von unserem Genussexperten Walter Celotti aus dem Friaul

Tauchen Sie mit uns ein in die Besonderheiten und faszinierenden Geschmackserlebnisse der Region Friaul. Diesmal serviert uns Walter Celotti das traditionelle Musèt mit Brovada. So viel sei verraten: Es geht um die Wurst!

Dass das Leben früher härter war, ist ein Satz, den jede:r schon einmal irgendwo gehört hat. Oft bleibt er eine Phrase, unter der man sich nichts Genaues vorstellen kann. Doch es gibt einen Bereich des alltäglichen Lebens, in den sich die Verhältnisse aus weniger wohlhabenden Zeiten eingeschrieben haben: die traditionelle, regionale Küche. Wer ihre Zeichen zu lesen vermag, den erwarten – neben kulinarischen Genüssen der Sonderklasse – überraschende Einblicke in die Vergangenheit einer Region. Um der Geschichte des Friauls geschmacklich nachzuspüren, erzählt uns Kulinarik- und Sommelierspezialist Walter Celotti diesmal von einer ganz besonderen Spezialität: Il musetto, oder, auf Friulanisch: Il musèt.

Fette Beute, dünne Haut

Musèt ist eine deftige Wurst aus Schweinefleisch, die im Friaul traditionell zu den Weihnachtsfeiertagen serviert wird. Die Zubereitung erfordert Geduld und Kenntnis: Zwei Stunden lang muss die Wurst im Topf köcheln, wobei sie kontinuierlich Fett abgibt. Ein zu heftiges Aufkochen ist unbedingt zu vermeiden, da die zarte Haut der Wurst reißen könnte. Nach einer Stunde muss das mittlerweile mit Fett gesättigte Wasser getauscht werden. Wenn man mit einer Gabel leicht hineinstechen kann, ist die Musèt fertig – allerdings sollte sie bis zum Servieren im warmen Wasser verbleiben, da sie sonst zu hart zum Verzehr wird.

Klassischer Begleiter der Musèt ist die friulanische Brovada oder Bruade. Diese Beilage wird aus weißen Rüben mit leicht violetter Färbung zubereitet, und auch hier braucht es Geduld: Ganze vierzig Tage lang müssen die Rüben mit Maische und Essig luftdicht in einen Bottich geschichtet gären, bevor die sauerkrautartige Speise fertig ist. Gewaschen und geschält werden die Rüben daraufhin grob geraspelt und können, mit Öl, Salz und Pfeffer gewürzt, roh oder gekocht verzehrt werden. Für eine typische Brovada werden die Rüben zusätzlich mit Lorbeerblättern, Wacholderbeeren und ganzen Pfefferkörnern verfeinert und auf kleiner Flamme zwei bis drei Stunden lang gekocht.

Gern gesehene Ergänzung zu dieser Mahlzeit ist außerdem die typisch norditalienische Polenta – deren Zubereitung sich im Vergleich immerhin recht flott erledigen lässt. Die Zeit, die in den Kochprozess fließt, ist allerdings gut investiert: Nicht umsonst konnten Musetto und Brovada seit Jahrhunderten ihre Stellung unter den kulinarischen Fixsternen Norditaliens verteidigen. Aber wie kommt es eigentlich, dass ausgerechnet diese Speisen schon so lange die friulanische Esskultur prägen?

Ein Bissen Geschichte

Dass die wirtschaftliche Lage im Friaul heute als solide bezeichnet werden kann, ist eine Errungenschaft der vergangenen Jahrzehnte. Vor hundert Jahren, erzählt Celotti, lebten die meisten Menschen hier noch in großer Armut. Viele waren Bauern, die sich und ihr Familie oft nur mit Müh und Not mithilfe von selbst produzierten Lebensmitteln über den Winter brachten.

Nicht selten besaß eine Familie nur ein einziges Schwein – dessen Fleisch musste in der kalten Jahreszeit die ganze Familie durchbringen. Alles wurde verwertet; die Lagerung war im Winter durch die Kälte einfacher als im Sommer. Wurst wie Salami konnte in Regionen mit geeigneten klimatischen Bedingungen wie dem Friaul im Keller gelagert werden – dort bildete sie eine Schimmelschicht, durch die sie auch ohne Räucherung konserviert werden konnte.

Gemüse dagegen konnte nur sehr schwer konserviert werden und war daher im Winter kaum verfügbar. Eine besonders findige Lösung bildete Brovada. Durch die Fermentationsprozesse, die bei der langen Lagerung gemeinsam mit der Maische stattfinden, konnten die Rüben über lange Zeit haltbar gemacht werden und als Beilage für Fleischspeisen verwendet werden.

Und auch die Polenta hat ihre Geschichte: Da die Menschen im Friaul früher kaum Brot hatten und sich der Anbau meist eher auf Mais beschränkte, wurde der billige Maisgrieß in verschiedenen Variationen gerne und häufig gegessen – eine Gewohnheit, die sich bis heute gehalten hat. Geröstet passt auch die Polenta besonders gut zum beliebten Musèt.

Fest der friulanischen Spezialitäten

Eine gewisse Verwechslungsgefahr besteht zwischen dem friulanischen Musèt und dem ebenfalls traditionsreichen Cotechino, der im Rest Italiens große Beliebtheit genießt. Diese Wurst besteht wie Musetto aus Schweinefleisch; während für Cotechino allerdings verschiedene Bestandteile des Schweins verwendet werden, wird Musetto ausschließlich aus der Schweinsmaske hergestellt. Daher auch der Name: il muso bedeutet auf Italienisch Schnauze, in diesem Fall: Schweinsschnauze.

Zwillingsspeise der Musèt: der italienische Cotechino (moiranazzari/Pixabay)

Wenngleich sich die Friulaner gerne mit der besonderen Aromatik des Musetto rühmen, sind beide Würste – wie übrigens auch die Brovada – offiziell geschützte Produkte der Marken IGP (geschützte geographische Angabe) bzw. DOP (geschützte Ursprungsbezeichnung). Ob der Unterschied tatsächlich so groß ist wie manch ein Italiener behaupten mag, bezweifelt selbst Walter Celotti: „Man muss schon ein wirklicher Genießer sein, um den Unterschied zu schmecken“, gibt er zu.

Der Winter steht vor der Tür: Wenn auch Sie sich also an der traditionsreichen friulanischen Küche versuchen wollen, dann ist jetzt der ideale Zeitpunkt. Brovada ist ein gesundes, kalorienarmes Produkt, das reich an Ballaststoffen und Kalzium ist und daher gerade im Winter nur empfohlen werden kann. Und was Musetto an Kalorien wieder hinzufügt, lässt sich über einem dazu gereichten friulanischen Wein trefflich vergessen.

Walter Celotti empfiehlt zu diesem Gericht einen Rotwein mit mittlerem Körper, guter Säure und mittleren Tanninen, nicht zu alkoholisch und mit Kräuternoten. Der Geschmack und der hohe Fettanteil könnten durch einen guten Wein problemlos ausgeglichen werden. Oder, wie es der Kenner formuliert: „Der Wein muss den Gaumen putzen!“ Mit einem Glas Refosco dal Peduncolo Rosso, einem Schioppettino oder einem Cabernet Franc in der Hand gibt es also nichts, was einem winterlichen Fest des Friulanischen noch im Wege steht. Cin cin!

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