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Weinland Tschechien

Weinland Tschechien im Fokus

Nach der Wende bereiste Jochen Erler als erster Weinjournalist aus dem Westen die ehemalige Tschechoslowakei. Sein Bericht wurde 1993 unter dem Titel „Ex Oriente Vinum“ von Wine & Spirits International in London veröffentlicht. Dieses Jahr nahm er als Panelspeaker an der diesjährigen International Wine Tourism Conference teil, die auf Schloss Mikulov im südlichen Tschechien stattfand. Die vom tschechischen Tourismusverband organisierte Pressereise ermöglichte ihm, den Fortschritt der tschechischen Weinindustrie zu evaluieren. Hier ist sein Bericht.

Zunächst möchte ich einige Worte über den am Stadtrand von Mikulov gelegenen Weinkeller sagen, der während der Zeit des sowjetischen Ostblocks als zentrale Abfüllanlage für weitere sieben Weinkeller der Gegend diente. Solche zentralen Großkeller gab es auch in den anderen Wein anbauenden Ostblockländern. Nicht alle hatten in der CSSR ihre Holzfässer durch Stahltanks ersetzt, wie es in Mikulov bereits geschehen war. Allerdings waren lange Pumpleitungen nach wie vor unvermeidbar. Unter den acht nach Mikulov liefernden Kellern hatte Pavlov den besten Ruf, vor allem wegen seiner guten Weißweine, wie Grüner Veltliner und Welschriesling. Auch Pavlov’s rote Cuvée aus St.Laurent und Siegerrebe beeindruckten mich damals.

Die International Wine Tourism Conference 2025

Im Rahmen der Konferenz wurden die wichtigsten Weine Tschechiens vorgestellt. Wie auch in den anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, war dank der Privatisierung der Weinproduktion die Qualität der Weine unvergleichbar höher als zur Zeit meines ersten Besuchs vor mehr als 20 Jahren. Auch auf einem Weinwettbewerb in Pezinok/Slowakei hatte ich als Juror inzwischen einige recht gute Weine aus Böhmen und Mähren angetroffen.

Als einzige „alte Bekannte“ fand ich auf der Verkostung im Rahmen der Konferenz und der anschließenden Pressereise nur Weine aus dem Gebiet Melnik/Roudnice. Das Schloß Melnik und seine 110 ha Weinberge nebst großem Landbesitz, wie auch das Schloß Roudnice nebst Ländereien hatte die ehemalige Eigentümerin Lady von Lobkovicz als eine der Ersten bereits 1991 zurückerhalten und mit dem Jahrgang 1992 ihre Weinproduktion wieder aufgenommen. Die Riesling und Müller-Thurgau Weine dieses Weinguts, deren Reben überwiegend auf den mineralreichen Osthängen des Elbetals wachsen, waren schon damals vielversprechend. Auch hatte mir der Rotwein „Zamek Melnik“, eine Cuvée aus St.Laurent und Pinot Noir gefallen.

Alle anderen Weine kamen von Produzenten, die ich nicht kannte: ehemalige Eigentümer von Weinkellern oder deren Nachfolger, die enteignet oder zwangskollektiviert worden waren, und ein Käufer eines privatisierten Staatsguts.

Weinkeller in Tschechien
Weinkeller in Tschechien

Salon © Czech National Wine Center

Tschechien als Weinland?

Auch auf der anschließend an die Konferenz organisierten Pressereise konnte ich keinen meiner vor 20 Jahren besuchten zentralen Großkeller antreffen – sie waren ja alle privatisiert worden. Nur einer dieser zentralen Großkeller hatte unter neuem Namen und in privaten Händen überlebt: der Velké Bilovice Weinkeller. Ein Investment, das nicht schief gehen konnte, mussten ja die meisten der umliegenden Weinbauern ihre Ernte an den Großkeller verkaufen, da sie kein Equipment hatten. Inzwischen hat der Großkeller die Rebflächen von 20 % der angelieferten Reben aufgekauft. Da das beachtliche Pumpensystem des Weinkellers unverändert übernommen wurde, ist die Produktion von Topweinen schwierig. Immerhin waren der 2021 Sauvignon Blanc und der 2021 Pinot Blanc überzeugend.

Die Verkostungen auf der Konferenz, in den Vinotheken und den Weinkellern lieferten den beredten Beweis, dass Tschechien nicht nur erstklassiges Bierland ist, sondern auch ein Land mit hervorragenden Weinen für den Weltmarkt. Die Weißweine wie Riesling, Welschriesling, Grüner Veltliner, Pinot Blanc und Sauvignon Blanc werden für den lokalen Markt zumeist halbtrocken oder halbsüß ausgebaut, für den Export jedoch trocken. Die populäre lokale Rebsorte Palava hat mich nie überzeugen können. Bei den Rotweinen kann der St. Laurent in der Qualität oft den Pinot Noir übertreffen, letzterer wird allerdings wie der Blaufränkisch in weit größerem Maße angebaut. Auch kann Alibernet, eine moderne Kreuzung von Alicante Bouschet und Cab. Sauvignon, hier sehr kräftige Weine hervorbringen. Die andere moderne Rebsorte Fratava, eine Kreuzung zwischen Blaufränkisch und St. Laurent, bisher nur auf 7 ha angebaut, ist ebenso vielversprechend.

Weinkeller in Tschechien während Veranstaltung

© Czech National Wine Center

Tipps für Weintouristen

Da die Pressreise unter dem Leitmotiv des Weintourismus stand, besuchten wir nicht nur Weinkeller, sondern auch andere Highlights von Böhmen und Mähren. Und zwei der benutzten Hotels hatten eigene Mikro-Brauereien, kein Wunder, werden ja jährlich 146 Liter Bier und nur 19 Liter Wein pro capita konsumiert.

Für Weinfreunde ist die Vinothek im Schloß von Valtice von höchstem Interesse. Hier stellt Salon, der wichtigste Weinwettbewerb Tschechiens, die besten Weine der Republik vor. Für ganze 28 € kann der Besucher hier so viele der 100 Weine in Selbstbedienung verkosten, wie er will. Weltweit einmalig! Allerdings konnte ich den von mir als besten Rotwein erkorenen St. Laurent nicht finden. Dessen Kellerei Thaya hatte trotz Topqualität weder die von Salon geforderten Mindestmengen vorweisen, noch die zur Verfügung zu stellenden Flaschen liefern können.

Valtice chateau

Schloss Valtice © Jochen Erler

„Die Verkostungen lieferten den beredten Beweis, dass Tschechien nicht nur erstklassiges Bierland ist, sondern auch ein Land mit hervorragenden Weinen für den Weltmarkt. “

Die strengen Vorschriften, die Salon für die Zulassung erlassen hat, sind eine unüberwindliche Hürde für kleine Winzer, deren Weine, wie wir sie auf der Pressereise kennenlernten, oft die Qualitätskriterien von Salon erfüllten. Die private Vinothek in Znojmo mit Weinen der Region unterliegt keinen so strikten Regeln. Hier entscheidet die Eigentümerin, welche Weine in die Abfüllvorrichtungen kommen, deren Verkostung mittels Gutscheinkarte in Selbstbedienung möglich ist.

Neben der Schönheit der Landschaft, die nur selten durch Industrieanlagen gestört ist, den historischen Stätten und vielen Schlössern, und den typischen, in Hügel eingebauten alten Weinkellern ist als touristische Einmaligkeit die kleine Republik zu erwähnen, die ein Spaßvogel mit Winzern des hübschen Ortes Kravi Hora gründete, und wo dann Freunde mit Familie im Ausland eigene Botschaften errichteten. Eine kleine Weinortschaft, die alljährlich sehr populäre Weinfeste veranstaltet. Wir alle von der Reisegruppe erhielten einen Reisepass …

Vor allem das an der österreichischen Grenze liegende Südmähren bietet den Wienern eine nahegelegene Destination für Tourismus. Die hierfür notwendige Infrastruktur ist gut: sowohl die Straßen wie auch die Hotels/Pensionen und Restaurants. Weinfreunde können hier neben den ihnen wohlvertrauten heimischen Weinsorten auch Cuvées und moderne Rebzüchtungen kennenlernen.

Dr. Jochen Erler berichtet hier von seiner letzten Pressereise nach Tschechien, die er auf Einladung des tschechischen Tourismusverbands unternahm.

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