Wein ist im Supermarkt in vielen Fällen um wenige Euro pro Flasche erhältlich. Wie ist das möglich – wo schon das Kilo Qualitätstrauben 1.5 bis 2.5 Euro kostet?
2 Lösungen.
Entwicklung der Weinproduktion in Zypern
In drei Etappen erkundet Weinjournalist Dr. Jochen Erler Geschichte und Gegenwart des zypriotischen Weinbaus.
The Big Four und die Umbrüche der 80er-Jahre
Als ich in den 80er Jahren Zypern besuchte, fand die erste von drei Stufen der Verbesserung der Weinproduktion in Zypern statt. Die großen Weinkeller KEO, SODAP, LOEL und ETKO, genannt „The Big Four“, die praktisch ein Monopol für die Weinproduktion in Zypern besaßen, hatten begonnen, die Zeit zwischen Aufkauf der Weintrauben auf dem Land und Rezeption am Keller zu verkürzen.
Bislang hatten große Lastwagenanhänger, die als Sammelstationen dienten, mitunter mehrere Tage in der Sonne gestanden. Die Trauben litten unter der Hitze, und wertvoller Saft ging verloren, der auf den Straßen zu einer Rutschgefahr führte. Warnschilder waren deshalb für die Autofahrer angebracht worden, die nun nicht mehr notwendig waren. Auch hatten zunehmend die Weinbauern ihre Esel für den Transport ihrer Ernte aufgegeben und konnten, soweit vorhanden, nun mit Pick-ups direkt zur Kellerei fahren. Handliche Kisten wurden den Bauern von den Big Four zur Verfügung gestellt, um die Qualität der angelieferten Trauben zu verbessern.
Commandaria auf dem Vormarsch
Die zweite Welle der Erneuerungen, seit etwa Anfang dieses Jahrhunderts, war die Zunahme an Gründungen von neuen Weinkellern, die nicht nur Wein kelterten, sondern eigene Abfüllanlagen errichteten. Auch hatten einige Produzenten damit begonnen, statt die für die Herstellung von Commandaria, dem Flaggschiff des Weins aus Zypern erforderlichen getrockneten Trauben an den Genossenschaftskeller zu liefern, der den Basiswein für die Big Four herstellte, im eigenen Keller den Commandaria zu produzieren.
Ein großer Schritt: Zyperns Weinkultur der Gegenwart
Bei meinem diesjährigen Besuch stellte ich eine dritte Phase der Verbesserung des Weinmachens in Zypern fest. Zum einen war die seit den 80er Jahren bestehende Trend, bei Neupflanzungen internationale Rebsorten anzubauen, umgeschwungen. Die Weinbauern kehrten zu den bewährten autochthonen Rebsorten zurück.
Mich überraschte nicht nur die große Anzahl von neuen Weinkellern, sondern vor allem auch ein erfreulicher Trend, dessen Kommen man schon vor etwa 20 Jahren bei Gesprächen mit den Weinmachern hatte erkennen können: den berühmten Süßwein Commandaria nicht mit reinem Alkohol zu versetzen, wie es seit langer Zeit zwecks Konservierung auch durch die Big Four geschah, sondern ihn auch ohne „Aufspritten“ naturbelassen abzufüllen. Die Regeln der Produktion wurden geändert und der moderne Commandaria wird jetzt nicht nur als „Likörwein“ vermarktet, sondern auch als ein Wein „aus sonnengetrockneten Trauben“.
Interessant die Parallele zu Madeira, wo selbst der Hüter der Weinvorschriften privat einen ungespritzten Süßwein für sich herstellte, den er nicht verkaufen konnte. Auch in Sizilien verkostete ich einen Süßwein, der sich nicht Marsalla nennen durfte, da er ungespritzt war. Auf lange Sicht wird wohl auch dort eine Reform wie auf Zypern sich durchsetzen.
Geheimtipps aus Zypern
Unserer Reisegruppe wurde der Besuch von sieben Weinproduzenten ermöglicht. Zwei waren mir schon bekannt, darunter der Mallia Keller von KEO, dem größten Weinproduzenten in Zypern. Auch besuchten wir den zu den ehemaligen „Big Four“ zugehörigen LOEL Betrieb. Unter den anderen besuchten Weinkellern gab es einen sich „Micro Winery“ nennenden Weinkeller, der wie ein Weinmuseum anmutete, mittelgroße Winzer die kaum Supermärkte als Käufer haben, zwei Produzenten die Bioweine anbieten, und eine Kellerei, die wie die großen Keller große Mengen von Trauben von kleinen Weinbauern aufkauft und auch für die Supermärkte arbeitet.
Zu den für Export geeigneten Weinen gehört überall der Xynisteri, der als Weißwein führend im Anbau und abgesehen von seiner wichtigen Rolle bei der Herstellung des Commandaria sortenrein im Ausbau ist. Mit einem Preis von ca. 7 € ab Keller dürfte Mallia’s Xynisteri aus der Paphos Gegend, Jahrgang 2023 schon trinkreif, 2021 wohl besser zum Aufheben, in Preis und Qualität jedoch unschlagbar sein. Dieser Weinkeller mit überwiegend single vineyard Weinen bot auch einen exzellenten Viognier an.
Beim Rotwein erfreut sich Mavro des höchsten Anteils im Anbau, zumal er für den Commandaria benötigt wird. Doch gehören der rare Maratheftiko und der noch seltenere Yiannudi zu den roten Topweinen (Preis ab Keller 10 bis 20€). Beim Marathefiko sagten mir die Jahrgänge 2020, 2022 und 2023 mehr zu als der 2021er. Allerdings haben wir auch andere, sehr gute Rotweine angetroffen: Mataro (alias Mourvedre), zwei Cuvées aus Syrah und Cab.Sauv., und sortenreine Mavros, die Goldmedaillen auf allen Wettbewerben verdienen.
Beim Verkosten von Commandaria gab es keine Enttäuschungen wie manchmal vor vielen Jahren, als der hinzugefügte Alkohol bei einem jüngeren Wein nicht voll integriert war. Sowohl der wie bisher elaborierte Likörwein (15-20 €), wie auch der im modernen Stil ausgebaute Commandaria (25-400 €) sind immer zuverlässige Süßweine, ähnlich den gereiften Tokay oder Madeira Weinen.
Unser freier Mitarbeiter Dr. Jochen Erler, der bereits wiederholt für andere Medien über Zypern geschrieben hat, und Juror auf dem Weinwettbewerb in Limassol war, berichtet hier von seiner letzten Pressereise nach Zypern, die er gemeinsam mit Kollegen des Circle of Wine Writers unternahm.
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