GENUSSBLICK ÜBER DIE GRENZEN: Aceto Balsamico – das süßsaure Geheimnis auf den Dachböden Modenas
Tauchen Sie mit uns ein in die Besonderheiten und faszinierenden Geschmackserlebnisse Norditaliens. Heute machen wir einen Ausflug nach Emilia-Romagna. In den Städten Modena und Reggio Emilia wird seit Jahrhunderten die Tradition der Balsamicoessig-Zubereitung gepflegt.
Coerenza e curiosità: Das Erfolgsrezept des Ausnahme-Weinguts Bulfon
Genussblick über die Grenzen:
Tauchen Sie mit uns ein in die Besonderheiten und faszinierenden Geschmackserlebnisse Norditaliens.
Mitten im Friaul, am Fuße der friulanischen Dolomiten und an den Ufern des Tagliamento, liegt ein ganz besonderes Weinbaugebiet, das von der Begeisterung, dem aufrichtigen Interesse und dem Know-how seiner Besitzer lebt. Im Gespräch mit Lorenzo Bulfon dürfen wir Ihnen dieses Ausnahme-Weingut vorstellen.
„Die Typizität der Rebsorten macht den Unterschied“, sagt Lorenzo Bulfon. „Es ist wirklich interessant, zu beobachten, wie die Weine entstehen – wenn ich dieselbe Varietät auf zwei verschiedenen Böden anpflanze, kommen manchmal zwei von Grund auf verschiedene Weine heraus“. Der friulanische Winzer weiß, wovon er spricht. Nach Jahrzehnten im Weinbau hat er ein Gespür entwickelt – für das Zusammenspiel von Wein und Böden, für die Vinifikation – und nicht zuletzt dafür, wie man einen Betrieb führt.

Lorenzo Bulfon (Foto: Bulfon)
Auf den Spuren der rätselhaften Rebsorten
Dass der Friulaner in einer Winzerfamilie aufwuchs, hat sein Leben und Arbeiten maßgeblich geprägt – doch mindestens genauso wichtig war die Atmosphäre der Interessiertheit und des Entdeckergeistes, die in seinem Elternhaus vorherrschte. Curiosità, Neugier, ist das Stichwort, das Lorenzo Bulfon wohl ebenso charakterisiert wie seinen Vater Emilio, der das Weingut in den 1980er Jahren gründete.
Die Geschichte des Betriebs ist ebenso bemerkenswert wie sein Sortiment. Emilio Bulfon, der zunächst bei anderen Weinbaubetrieben angestellt war, erkundete vor rund 50 Jahren die Hügel zwischen Castelnuovo del Friuli und Pinzano Tagliamento. Auf diesen Streifzügen entdeckte er uralte Weinreben, die auf den Gebieten unterschiedlicher Betriebe wuchsen. Die Besitzer der Weingüter nannten ihm auf Nachfrage ungewöhnliche Sortenbezeichnungen, die er noch nie gehört hatte – und seine Neugier war geweckt. Bulfon begann, die Geschichte der unbekannten Rebsorten zu recherchieren. Nach und nach bezog er auch andere Experten aus der Region ein – etwa die Weinbauschulen in Conegliano und in Gorizia oder die Provinz Pordenone. Bald war klar: die von Bulfon entdeckten Reben waren bis zu dreihundert Jahre alt.
HIER sind die Weine von Bulfon erhältlich.
Damit begann ein großes Experiment: Gemeinsam mit den anderen Beteiligten pflanzte Emilio Bulfon 24 verschiedene alte Rebsorten und beobachtete deren Entwicklung: Wie viele Früchte trugen die einzelnen Sorten? Wie war die Qualität? Schließlich wurden die vier Sorten Ucelùt, Sciaglìn, Forgiarìn und Piculìt-Neri ausgewählt und nochmals genetisch auf die Qualität ihrer DNA überprüft. Während der Piculìt-Neri zu den Neri Foschi gehört, besteht bei den anderen Varietäten keine Verwandtschaft zu anderen Rebsorten. Den Weinen wurde daher in der Folge das Prädikat IGP (Indicazione Geografica Protetta, dt. geschützte geographische Angabe) verliehen. Später vergrößerte sich das Sortiment und zu den Ausgangssorten kamen weitere Raritäten wie Cordenossa, Fumo Rosso oder Forgiarìn dazu.
Ucelùt
Sciaglìn
Forgiarìn
Piculìt-Neri
Familienbetrieb mit Innovationspotenzial
Der Betrieb der Bulfons ist ein Familienbetrieb. Nachdem er jahrelang einer anderen Arbeit nachging, übernahm ihn Juniorchef Lorenzo Bulfon vor rund 20 Jahren von seinem Vater. „Ich habe mir gedacht, warum soll ich den Betrieb eingehen lassen?“, erzählt der Winzer. Die Entscheidung bereut er bis heute nicht: „Wir sind klein, aber wir schaffen es“.
Dass ein Kleinbetrieb wie das Weingut Bulfon im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nicht eingegangen, sondern im Gegenteil über die Grenzen Italiens hinaus bekannt ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Konkurrenz ist hart: Großbetriebe, die Prosecco und Pinot Grigio in rauen Mengen anbauen, dominieren das Geschäft in der Region. Die Lösung für Bulfon: zum einen der Export ins Ausland, insbesondere nach Nordeuropa. Zum anderen ein Geschäftsmodell, das auf Stimmigkeit, Stringenz und Kontinuität aufbaut. Coerenza, Kohärenz, nennt es Bulfon und erklärt: „Das bedeutet im Prinzip, das zu machen, was du immer schon gemacht hast – es gut zu machen – und nicht zu versuchen, irgendwelche Moden nachzuahmen“.
„Das bedeutet im Prinzip, das zu machen, was du immer schon gemacht hast – es gut zu machen – und nicht zu versuchen, irgendwelche Moden nachzuahmen.“
„Ich habe mir gedacht, warum soll ich den Betrieb eingehen lassen?“
Zwei weitere Faktoren tragen ebenfalls maßgeblich zu Bulfons Erfolg bei. Wichtigstes Alleinstellungsmerkmal ist seine Spezialisierung auf alte, autochthone Rebsorten, die ihn von den Großbetrieben der Region klar unterscheidet. Genauso bedeutend ist allerdings der schon erwähnte Entdeckergeist, gepaart mit einer ehrlichen Begeisterung für den Prozess der Vinifikation und die Faktoren, die ihn bestimmen. „Ich bin ein neugieriger Mensch“, sagt Bulfon – und das merkt man.
Ein ganz besonderes Terroir
Was die Vinifikation angeht, hat Bulfon nicht gerade den einfachsten Weg gewählt. Im Hügelland an den Ufern des Tagliamento breiten sich seine Weingärten auf rund 11 Hektar aus. An sich nicht viel – doch die Flächen sind auf insgesamt 26 kleine Grundstücke verteilt. Ein enormer Mehraufwand an Arbeit – doch gleichzeitig eine ganz besondere Ressource. Denn dadurch kann er seine Weine auf ganz unterschiedlichen Böden anbauen – von grobkörnig bis feinkörnig, von Lehm bis Sand, von nass bis trocken ist von allem etwas dabei.

Vielseitig: Friaul im November (Foto: Bulfon)

Tagliamento (Foto: Bulfon)
Die Weine all dieser Flächen werden im Weingut Bulfon einzeln vinifiziert, Grundstück für Grundstück, Weingarten für Weingarten. Wenn auf zwei Böden dieselbe Rebsorte wächst, können trotzdem zwei von Grund auf verschiedene Weine entstehen – ob er sie im Anschluss vermischt oder nicht, entscheidet Bulfon jedes Mal individuell. Ein enormer Gestaltungsspielraum, den der experimentierfreudige Winzer sehr schätzt: „Es ist ein wirklich interessantes Terroir“, erklärt er mit Überzeugung.
Lorenzo Bulfon legt Wert auf seine Böden und auf eine umweltschonende Bewirtschaftung. Er verwendet keine chemischen Pflanzenschutzmittel, sondern nur Abdeckungen wie Traubenschutznetze – aus Respekt für die Pflanzen und für alle, die dort arbeiten, wie er sagt. Außerdem ist der Betrieb SQNPI-zertifiziert – ein italienischer Qualitätsnachweis für integrierte Produktion. Das Hauptziel: Die Charakteristik der Sorten zu bewahren.
Nicht ‚besser‘, sondern ‚anders‘
Mit seinem Zugang verfolgt Lorenzo Bulfon ein Ziel: Menschen zu erreichen, die anders trinken wollen: „Nicht besser“, sagt er, „sondern anders.“ Menschen also, die, wie Bulfon selbst, neugierig sind auf die Überraschungen, die das Produkt Wein bereithalten kann, wenn man ihm nur genügend Spielräume bietet.
„Momentan verlieren wir hier im Friaul unsere Idenität.“
Jedes Jahr experimentiert Bulfon aufs Neue, versucht sich an winzigen Modifikationen – etwa bei der Verwendung des Holzes der Fässer oder des Stahls der Tanks – um herauszufinden, wie bestimmte Varietäten entstehen können. So entstehen – basierend auf den uralten Sorten – jährlich neue, spannende Weine, die das vielfältige Terroir, aber auch den Charakter des Winzers widerspiegeln. So unterschiedlich seine Weine seien, hätten sie doch eines gemeinsam, meint Bulfon: „Sie sind leicht zu trinken – direkt und unvermittelt. Sie sind alle verschieden, aber sie sind alle klar und technisch sauber“. Anders also – aber immer mit Qualität.
Für seine Weinbauregion, das Friaul, und auch für ganz Italien wünscht sich Lorenzo Bulfon eine Zukunft, in der auch Platz für ein wenig Rückbesinnung bleibt. „Momentan verlieren wir hier im Friaul unsere Idenität“, sagt er. Expansion werde in Italien immer noch großgeschrieben, ständig würden neue Reben gepflanzt – anders als in Frankreich, wo mittlerweile schon Weingärten aufgelöst würden, da es zu viel Produktion gebe. Für Bulfon auf die Dauer kein zielführender Weg. „Ständig heißt es bei uns nur: Prosecco, Prosecco, Prosecco“, erklärt der Winzer resigniert. Dann fügt er lachend hinzu: „Aber ich weiß schon, ihr Österreicher mögt Prosecco“. Da mag er vielleicht richtig liegen. Doch alle, die sie probiert haben, sind sich einig: Bulfons Weine mögen die Österreicher auch.

Sciaglìn IGP 2023 (Foto: Georg’s Salon)