Die Glasproduktion ist seit über 3500 Jahren in Ägypten bekannt – die hohe Kunst des Glasmachens fand aber in Murano statt. Um 1600 entstand ein neuer Wettbewerber aus dem hintersten Winkel der damals bekannten Welt – aus dem Böhmerland (heute Waldviertel).
Kolumne Am Weinberg – Das Projekt Bouvier
Die inflationäre Verwendung von Begriffen wie Sensation, einzigartig, großartig usw. verhindert, etwas vorzustellen, das tatsächlich einer Sensation gleichkommt.
Die Vorgeschichte:
Wir hatten einst, alleine in der heutigen Obersteiermark, mehr als 250 autochthone Weinsorten, die Erzherzog Johann zu selektionieren versuchte. In der Untersteiermark (rund um Marburg) war der Anteil autochthoner Sorten jedoch ungleich größer. Nicht zufällig befand sich auch in Pettau (Ptuj) das von Goethe geleitete zentrale K.u.K.-Weinbauinstitut.
Die ehemals weltumspannende Sektkellerei Kleinoscheg in Graz begann mit dem Schweizer Bankier Bouvier – heute würde man sagen, ein Joint Venture –, Edelsorten aus der Fülle der autochthonen Sorten für den Weltmarkt zu suchen. Unter diesen über 1000 Typen der Untersteiermark stach eine Sorte hinsichtlich ihrer Qualität heraus. Die Partner einigten sich auf den Namen des Finders: Bouvier. Der Erfolg am Markt war so groß, dass die Partnerschaft aus Egogründen zwischen Bouvier und Kleinoscheg zerbrach. Clotar Bouvier gründete daraufhin eine eigene Kellerei mit seinem „Findelkind“, dem Bouvier.
Unsere Forschungen:
Im Rahmen unserer Forschungen beschäftigen wir uns seit Jahrzehnten mit dem Potenzial von Sorten, die außerhalb des Trends oder im Vergessen liegen. Unsere Fragen waren: Was steckt in dieser Sorte? Warum hatte sie einen so einzigartigen Ruf, der heute vergessen ist, und warum wird der Wein nur mehr für Sturm und als Basis für edelsüße Weine verwendet? Ein großes Danke vorab an die Familie von Tommy Gangl in Illmitz.
2023 begann das Projekt. Die Familie Gangl betreibt ein Weingut nach anderen, als den üblichen, Kriterien. Qualitätsweinbau steht über allem, um das Maximum aus der Natur zu schöpfen. Dass der Grüne Veltliner im Jahr 2024 von führenden Önologen als bester Wein bewertet und von der HLBA ausgezeichnet wurde, zeigt die Richtung. Das Projekt wurde angestimmt. Das Motto war: extreme Weingartenarbeit und Kelterung – ohne Eingriffe, mit Reifezeit im Gebinde. Ein Experiment, das niemals kostendeckend sein kann, aber spannend ist. Tommy Gangl faszinierte die Frage: „Was steckt wirklich in dieser Sorte?“
Herausforderungen
Das allgemeine Problem von Randsorten oder Sorten, die außerhalb des Trends stehen, ist jedoch das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Qualitätstrauben von Trendsorten werden um 2 bis 3 Euro am Markt gehandelt und sind gefragt. Doch für diese Trauben gilt: geringe Mengen statt der höchstzulässigen Menge – pro Hektar mit 10.000 kg maximal 5000 kg pro Hektar – und intensive Weingartenarbeit, wie Ausdünnen, Traubenteilen und das händische Entfernen erkrankter Trauben. Der Weingarten ist laufend zu betreuen. Hinzu kommen Erkrankungen wie Peronospora, die frühzeitig erkannt werden müssen, um mit ökologischen Mitteln dagegen vorzugehen.
Übliche Massentrauben werden um die 40 Cent pro Kilogramm angeboten. In der Verarbeitung, alleine bei der Pressung, ergibt ein Kilo Trauben im höchsten Qualitätsanspruch maximal 0,75 Liter Most. Der Liter Most kostet ca. 2,5 bis 3 Euro. Weitere 10% gehen in der Kelterung verloren. Der Zeiteinsatz sowie die Kosten für Tanks, Fässer, Technik wie Pressen, Pumpen, Filter etc. ergeben pro Liter im Tank oder Fass Basiskosten von 8 bis 10 Euro. Hinzu kommen das Abfüllen, Etikettieren, die Flasche und der Verschluss. Die Kosten für den Personalaufwand im Weingarten und Keller sowie Steuern müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Unter 25 Euro sind Weine im hohen Qualitätssegment nicht herstellbar – das lässt sich in den öffentlichen Daten der HLBA Klosterneuburg und dem Bundesamt für Weinbau einfach nachlesen.
Zurück zum wesentlichen – der bouvier 2024:
Die Trauben zeigten eine Vollreife und wurden deshalb am 19.8. mit 20 °KMW gelesen. Es erfolgte ein sanftes Pressen, und der Most wurde ohne weitere Eingriffe in einen Tank gefüllt. Nach der Gärung wurde dem Wein Zeit gelassen, um ohne Hilfen die bei der Gärung entstandenen Trubstoffe abzusenken.
Die Analyse des werdenden Weins war faszinierend: Säurewert von 6 ‰, einem Alkoholanteil von 13,2 Vol. % – die besten Grundwerte eines bekömmlichen Weins.
Der Wein als Fassprobe
Eine kräftige Persönlichkeit mit einem herrlichen Säurespiel und zarten Muskat-Aromen.
Der Wein ist eine kaum fassbare Antithese: Überall steht geschrieben, dass er ideal für Sturm, Jungweine oder edelsüße Weine ist.
Dieser Bouvier ist ein einzigartiges, großes Weinerlebnis, das im Vergleich mit den besten des Landes absolut an der Spitze liegt. Kann das stimmen? Wir haben lange überlegt: Wie kann diese Ansicht geprüft und bewertet werden? Der Herstellungspreis würde einen Endpreis von 26,50 Euro erfordern. Doch wer nimmt das Risiko auf sich, für eine ihm unbekannte Sorte 26 Euro zu zahlen?
Danke an Tommy für die Diskussion: „Egal, nehmen wir 19 Euro als Endpreis“, um das Probieren zu erleichtern. Wenn es Freude bereitet und gut läuft, könnten wir 2025/26 mit vernünftigen Preisen anbieten. Allerdings – ob wir uns diese Mühe mit der Weingartenarbeit, der zeitaufwendigen Kellerarbeit und dem Wissen, dass dies ohne kostendeckende Preise geschieht, nochmals antun, ist ungewiss.
In Summe
Ein Erlebnis, das Freude macht, aber erst nach der vollständigen Fassreife erhältlich ist. Der nächste Widerspruch von vielen: Fassreife? Der gehört doch jung getrunken! Stimmt nicht. Er reift, die Aromen werden feiner ziseliert, das Mundgefühl noch voller, das Säurespiel wird zur vollendeten Harmonie.
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